Forschung zwischen forensischer und interkultureller Psychologie
Forschungsschwerpunkt
In der Akademie für interkulturelle Kompetenz legen wird großen Wert auf den wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn. Dabei arbeiten wir sowohl theoretisch als auch empirisch zu den Fragen:
- Wie kann Kriminalprognose im interkulturellen Kontext valide und fair funktionieren?
- Wie lässt sich straffälliges Verhalten kultursensibel erklären?
Diese Fragen haben wir in den vergangen 10 Jahren intensiv untersucht. Dazu haben wir in Kooperation mit anderen Wissenschaftlerinnen zahlreiche Studien durchgeführt. Wir verbinden Fragestellungen aus der forensischen Psychologie bzw. Rechtspsychologie mit Fragestellungen aus der interkulturellen Psychologie und legen dabei sozial-kognitive Konzepte zugrunde. Wir setzten sehr unterschiedliche Studiendesigns und Methoden ein: kulturvergleichende vs. kultursensible Ansätze, retrospektive Längsschnittuntersuchungen vs. Querschnittsbefragungen, qualitative vs. quantitative Methoden. Eine Synergie aus all diesen unterschiedlichen Zugängen schafft innovative, praxisrelevante Erkenntnisse und ermöglicht neue Perspektiven der Denk- und Handlungsweisen.
Forschungsschwerpunkt
Theoretisches Forschungsprojekt
Das jüngste Forschungsprojekt enstand an der Victoria University of Wellington, New Zealand am Explanation of Psychopathology and Crime lab in Kooperation mit dem Centre for Cross-cultural Research:
Construction of a Theory About Causes of Delinquency Among Offenders with a Migrant Background
We aim to provide a preliminary model depicting the psychological processes that underpin criminal behavior which can be applied within various cultural contexts: a perspective based on the construct of agency and its social and cultural underpinnings.
A comprehensive framework that accounts for the explanation of harmful behavior such as crime across cultures is missing in social and forensic psychology. Because „dynamic risk factors“ are vague, composite, and value-laden constructs researchers are unable to minimize or control for the occurrence of construct or item bias when scores on widely used risk measures are compared across cultures. This makes any further interpretation and adjustment to assessment or intervention unwarranted. If we do not know whether or how dynamic risk factors cause criminal behavior within the cultural context of their development, we cannot possibly hope to explain this relationship in another culture.
Zeitraum: seit Feb. 2019
Kooperationspartner: Prof. Dr. Tony Ward, Roxy Heffernan, PhD und Prof. Dr. Taciano L. Milfont (alle Victoria University of Wellington, New Zealand)
Finanzierung: Forschungsstipendium des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD)
Publikation:
Schmidt, S., Heffernan, R., & Ward, T. (2020). Why we cannot explain cross-cultural differences in risk assessment. Aggression and Violent Behavior, 50, 101346. https://doi.org/10.1016/j.avb.2019.101346
Empirische Forschungsprojekte
Die folgenden empirisch ausgerichteten Forschungsprojekte sind unter dem Forschungsschwerpunkt „Emotional-kognitives Wirkgefüge kriminellen Verhaltens und interkulturelle Aspekte der Kriminalprognose“ maßgeblich am Institut für Psychologie der Humboldt-Universität zu Berlin entstanden.
In Kooperation mit dem Forensischen Institut Berlin und Herrn Prof. Dr. Klaus-Peter Dahle entstanden zwei Forschungsarbeiten, die sich kulturvergleichend mit der Validität von klassischen aktuarischen Instrumenten der Kriminalprognose auseinandergesetzt haben:
Risk profiles of different subgroups as standardized means of the risk and protective factors sensitive to migration and culture. Non-offenders served as the reference group for the standardization.
Schmidt, S., Bliesener, T., & van der Meer, E. (2019). Risk and protective factors of delinquency that are sensitive to migration and culture. Psychology, Crime & Law, 18(2), 1–27. https://doi.org/10.1080/1068316X.2019.1597088
Weitere Projekte
Leitlinien für interkulturelle Kompetenztrainings
Die theoretischen Arbeiten und empirischen Forschungsprojekte bildeten die Grundlage für die Entwicklung von „Leitlinien für interkulturelle Kompetenztrainings in der Arbeit mit Straffälligen“. Ziel war es, wissenschaftlich fundiert Anforderungen an Inhalte, Methoden und strukturelle Rahmenbedingungen für Fort- und Weiterbildungen interkultureller Kompetenzen im forensischen Kontext bereitzustellen. Damit wollen wir einen Brücke zwischen Forschung und Praxis bauen.
Um diese Leitlinien zu entwickeln, haben wir uns mit zahlreichen Vertreterinnen und Vertretern aus Wissenschaft, Sachverständigentätigkeit, Strafvollzug, Bewährungshilfe, Jugendhilfe und Polizei getroffen und intensiv ausgetauscht. In einem Workshop haben wir unter der aktiven Mitwirkung vieler forensischer Expertinnen und Experten diese Leitlinien für interkulturelle Kompetenztrainings formuliert und in einem sich anschließenden Konsensverfahren gemeinsam beschlossen.
Diesen Leitlininen fühlen wir uns auch in unseren eigenen interkulturellen Trainings-Angeboten verpflichtet.
Zeitraum: Okt. 2017 – Juli 2018
Kooperationspartner: Prof. Dr. Elke van der Meer (HU Berlin); Prof. Dr. Haci-Halil Uslucan (Uni Duisburg-Essen); Dr. Marwan Abou Taam (HU Berlin); Ismail Ünsal (EJF Berlin); Soner Tuna (Göttingen); Bildungsstätte des Justizvollzuges Berlin; Katharina Stoll (KrimD Berlin)
Finanzierung: Bildungsstätte des Justizvollzuges und Abschlussstipendium im Rahmen des Caroline von Humboldt Programms
Publikationen:
Schmidt, S., & van der Meer, E. (2018). Leitlinien für interkulturelle Kompetenztrainings in der Arbeit mit Straffälligen. Broschüre.
Poster:
Schmidt, S., & van der Meer, E. (2019, September). Leitlinien für interkulturelle Kompetenztrainings in der Arbeit mit Straffälligen. 18. Tagung der Fachgruppe Rechtspsychologie der Deutschen Gesellschaft für Psychologie (DGPs), Hildesheim.